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Kietzig

Die geschlossene Ortschaft Kietzig liegt ca. acht km nordöstlich von Stargard. In einem km Entfernung vom Dorf mit fester Zufahrtsstraße verlief die um 1870 gebaute Chaussee Stargard - Naugard und Stargard - Gollnow mit einem stets pulsierenden Durchgangsverkehr an Pferdegespannen und motorisierten Fahrzeugen. Kietzig gehörte zum Amtsbezirk Mulkenthin, wo sich auch das Standesamt befand. Das Amtsgericht und die Post waren in Stargard. Der nächstgelegene Haltepunkt der Saatziger Kleinbahn war im dreieinhalb km entfernten Lenz - Ilsenhof. Die Einwohnerzahl sank von 279 Einwohnern im Jahr 1910 auf 271 Einwohner im Jahr 1939, die in 60 Haushalten lebten. Letzter Bürgermeister der Gemeinde war Helmut Ziegelmann. Bis zum Kriegsbeginn hatte Kietzig eine Schule mit dorfeigenem Lehrer. Die Kirche gehörte zum Evangelischen Kirchspiel Kietzig, Kitzerow, Buchholz. Pastor war Pfarrer Lettau, später Pfarrer Völz.

Zur Gemeinde Kietzig gehörten die Ausbauten Bethge und Struck sowie das Gut Kamrath mit eigener Schmiede. Auf ertragssicheren mittleren Böden wurden Roggen, Hafer, Kartoffeln und Hackfrüchte angebaut. Weizenanbau wurde nicht betrieben. Ein lehmiger Untergrund verhinderte ein schnelles Versickern des Wassers in das untere Erdreich. Der Gemeindehektarsatz lag mit 650 RM,- über dem Durchschnitt des Kreises. Für die Rinder- und Schweinezucht war nicht genügend Grünland vorhanden. Klee und Seradella wurde für Futterzwecke zusätzlich angebaut.


Eine Augenweide für jeden Naturfreund

Attraktiv, jahreszeitlich bedingt, waren für jede Altersklasse die Kietziger Fichten, genauer betrachtet ein Kiefernbestand, um die 20 ha groß und mit leichtem Bodengefälle sich fortsetzend zu dem nur wenige hundert Meter entfernten Patsch-See (34 ha). An seinen Uferrändern, üppig bewachsen mit Schilf und Binsen, weiter see - einwärts blühten gelbe und weiße Seerosen, eine optische Augenweide für jeden Naturfreund. Die klare ruhige Wasserfläche war stets belebt durch artenreiches Wildgeflügel wie Stock- und Krickenten, Blesshühnern und Tauchern. In den Herbstmonaten fielen auf das Wasser mit ihrem heiseren Schrei in der typischen Keilformation Wildgänse ein, von den Äsungsflächen der nahen Getreidesaaten anfliegend, und im Rohrdickicht meldete sich mit ihrem dumpfen Kehllaut die Rohrdommel. Jenseits der bequem überschaubaren Seefläche boten die großen Ackerflächen des Rittergutes Buchholz mit Getreide und Hackfrüchten eine Oase der ländlichen Idylle und hinsichtlich ihres Bestandes eine ertragreiche Ernte. All die Beschaulichkeiten waren in einem zwanzigminütigen Spaziergang zu erreichen. Wandervogeltrupps, vornehmlich Grönianer, Schüler des Gymnasiums in Stargard, in den unterschiedlichsten Altersklassen, waren im Sommer und zur Herbstzeit regelmässige Gäste des Patsch - Sees und übernachteten auch an den Uferwiesen.

Eine wohl 50 ha große Wiesenfläche, unweit der Peripherie der dörflichen Längsseite, ist um das Jahr 1800 entwässert worden, und teils durch ein offenes Graben-, teils durch ein unterirdisches Röhrensystem wurden die Wassermengen bis zum Patsch - See abgeleitet; eine Kulturarbeit, die den Holbesitzern ertragreiches Wiesengelände einbrachte. Ein Teich inmitten des Dorfes, der Schmiedepfuhl, wurde durch eine Wasserader gespeist, die mit kräftigem Druck aus dem Erdreich hervorquoll. 100 m vom unteren Dorfausgang entfernt stand früher eine Mühle, die abgewrackt wurde, als sich Müller Betke zur Ruhe setzte.

Kietzig, ein Stadtdorf von Stargard

Stadtdorf zu sein war dem Gutsdorf gegenüber ein Vorteil. Vor der Bauernbefreiung mußte der erbuntertänige Bauer fünf Tage in der Woche Frondienste leisten. Der Bauer im Stadtdorf hatte 50 Tagewerke im Jahr für die Stadt zu arbeiten. Im Tagwerk stellte der Bauer entweder zwei Arbeitskräfte oder einen Mann mit Fuhrwerk. Nehmen wir das Beispiel Stargard. Der Herzog von Pommern erteilte 1243 der deutschen Siedlung Stargard das Stadtrecht. Er schenkte der Stadt 16 Dörfer, einen großen Wald, Gerechtsame an der Ihna in Bezug auf Nutzung der Wiesen, Wasserwege und Fischvorkommen. Außerdem das umliegende Ackerland, damit auf jedes Haus in der Stadt ein Stück Ackerland fiel. Dieses galt auch für eine kleine Zahl von Ackerbürgern vor den Stadtmauern. Ein Problem der Stadt waren Arbeitskräfte, da dort nur Kaufleute und Handwerker wohnten. Alle Arbeiten, ob nun Waldarbeit, Strassen und Wegebau oder Transporte von Holz und Baumaterial fielen den Bauern in den Stadtdörfern zu. Ein Ende wurde dieser Fronarbeit 1807 durch die preußische Bauernbefreiung unter Führung des Freiherrn vom Stein bereitet.