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Reisebericht geschrieben von Hermann Welk

Reise des Heimatkreises in den Kreis Saatzig


Unsere Heimatreise mit 37 Teilnehmern startete am 06. Juli morgens vom Parkplatz Rendsburg/Bü­delsdorf an der A 7. Obgleich wir im Vorfeld erhebliche Bedenken hatten, den neuralgischen Punkt Hamburg Hauptbahnhof/ZOB am Vortag des G 20-Gipfeltreffens ungehindert anfahren zu können, gelang dies ohne Schwierigkeiten und pünktlich. Auch die weiteren Zusteigepunkte in Oststeinbek und Ratzeburg wurden zügig erreicht, so dass der Fahrt in die Heimat nichts mehr im Wege stand. Mit Musik, u.a. dem Pommernlied, und einigen Kurzgeschichten konnte die doch recht lange Bus­fahrt erträglich gestaltet werden. Neben den älteren, im Kreis Saatzig geborenen Mitreisenden nah­men auch mehrere jüngere teil, die die Geburtsheimat ihrer Eltern und Vorfahren kennen lernen wollten und dazu die Kenntnisse und Erklärungen der älteren Generation gern annahmen. Gegen 19 Uhr erreichten wir unser Reiseziel, das Hotel Spichlerz in Stargard, das wir schon mehrfach für un­sere Reisen aufgesucht hatten. Wir wurden von dem Wirt herzlich begrüßt. Dort stieß auch der Lan­desvorsitzende der Pommerschen Landsmannschaft von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vor­pommern, Horst Born, zu uns. Nach dem gemeinsamen Abendessen saßen wir alle in fröhlicher Runde bei Gesang und Gespräch, zumeist über vergangene Zeiten und Jugenderinnerungen bis in den späten Abend zusammen.


Am folgenden Tag, dem 07. Juli, führten wir eine Bereisung unseres Heimatkreises durch. Dabei suchten wir alle Orte auf, aus denen unsere Reiseteilnehmer stammen, und verweilten dort, um die jetzigen polnischen Bewohner zu besuchen, die zum, Teil uns schon seit vielen Jahren bekannt   sind. Herzliche Freundschaften wurden wieder aufgefrischt. Aber auch wehmütige Erinnerungen kamen zum tragen. Insbesondere besuchten wir verschiedene Lapidarien, die mit – finanzieller – Unterstützung des Heimatkreises Saatzig und seines tatkräftigen Vorsitzenden Horst Born, errichtet worden sind, so u.a. in Alt Storkow, Rehwinkel, Langenhagen, Kremmin und Freienwalde. Hier er­innert jeweils eine Tafel in deutscher und polnischer Sprache an die deutsche Zeit und die deutschen  Bewohner vor der Flucht und Vertreibung im und nach dem zweiten Weltkrieg.  Die Lapidarien, zu denen Grabkreuze und Grabsteine aus deutscher Zeit auf einem Teil der ehemals deutschen Friedhö­fe zusammengetragen und jeweils mit kirchlichem – katholischem und evangelischem - Segen auf­gestellt worden sind, werden in der Regel gut gepflegt. Auch der Große Krebs am Enzigsee in Nö­renberg, mit dessen Unwesen wir Älteren schon in der Fibel bekannt gemacht wurden, war uns eine Besichtigung wert. Ein längerer Spaziergang in Brüsewitz mit äußerer  Besichtigung der Anwesen unserer aus der Ort stammenden Mitreisenden sowie eine äußere Besichtigung des Wasserschlosses Pansin der Familie von Borcke/von Putkamer mit dem herrlichen Park machten die Reise zu einem besonderen Erlebnis. Tief  beeindruckt, wenn auch mit verkrampftem Herzen ob des Anblicks von Verfall und Zerstörung der Bausubstanz  kehrten wir ins Hotel zurück. Gleichwohl blieb der größte Teil unserer Reisegesellschaft auch nach dem Abendessen noch zu Erinnerungsgesprächen und über die Tageserlebnisse zusammen.


Am 08. Juli besichtigte ein Großteil unserer Gruppe die Altstadt von Stargard. Erhard Grünbauer, ein nach Stargard verschlagener Franke, führte uns mit seinem umfangreichen Wissen in die Ge­schichte der über 800 Jahre alten Stadt ein, die mehrfach zerstört – zuletzt 1945 -, aber stets wieder aufgebaut wurde, die große Zeiten, aber auch Niederlagen erlebt hat. Eine Wiedergabe der Stadtfüh­rung würde hier zu weit führen. Erwähnt werden soll nur, dass Unternehmer wie der Müller Karow und der Apotheker Mampe wegen ihrer Erzeugnisse noch heute zum Allgemeinwissen unserer älte­ren Mitbürger gehört. Ebenso erwähnenswert sind die erhaltene Wallanlage mit den verschiedenen historisch wertvollen Toren, der mächtige drittgrößte sakrale Backsteinbau im Ostseeraum, die Marienkirche, erbaut von 1292 bis 1500, wie auch der Marktplatz mit seinem Rathaus, den wunder­schönen Ornamenten in seinem Giebel und der alten Wache. Dies alles war zum großen Teil zerstört und wurde von den Polen originalgetreu wieder hergestellt.



Am Nachmittag dieses Tages fuhren wir nach Jacobshagen. Dort nahmen wir im Park am Fluss, der seit über 100 Jahren besteht, an einem Volksfest teil. Hierzu waren außer unserer Reisegruppe die deutschen Minderheiten aus den Kreisen Arnswalde (Vorsitzende: Teresa Wisniewska), Dramburg (Vorsitzender: Gregor Myc), Schneidemühl (Vorsitzender: Edwin Kemnitz) und Stargard (Vor­sitzender: Daniel Buda) mit insgesamt 51 Personen erschienen. Unter der bewährten Leitung von Teresa Knape, die seit vielen Jahren als Dolmetscherin fester Bestandteil unserer Reisegruppen aus dem Heimatkreis Saatzig ist, und ihren engagierten freundlichen Mitarbeitern und Mitarbeite­rinnen wurde dieses Fest – übrigens schon im dritten Jahr hintereinander - mit pommerschen Grillspe­zialitäten sowie Kaffee und Kuchen zu einem Erlebnis, das uns für die ganze Reise entschädigt hat, und an das wir noch lange mit Freude und Dankbarkeit denken werden. Bei fröhlichen, aber auch intensiven Gesprächen aller mit allen unter Begleitung von Musik einer heimischen Trachtengruppe sowie Tanz und Gesang verbrachten wir den Nachmittag in ausgelassener Stimmung. Leider mussten wir dieses völkerverbindende Treffen schon nach sechs Stunden abbrechen, um noch in die jeweiligen Quartiere zurückkehren zu können.


Der vierte Tag unserer Reise, der 09. Juli, führte uns nach Kordeshagen in den Blumenpark Hortu­lus, nahe Köslin. Leider war die Busreise etwas lang und für unsere ältesten Mitreisenden etwas be­schwerlich. Der Anblick der herrlichem Blumenanlage entschädigte uns aber voll für unsere Mühen. Im Anschluss daran fuhren wir in den Ort Streckenthin, etwa 15 km südlich von Köslin. Dort such­ten wir das Bernsteinhotel zum Kaffee und Kuchen auf. Dieses herrliche Viersterne-Hotel mit  dem wunderschönen Park war ein weiteres wunderschönes Erlebnis für alle Mitreisenden. Das Hotel war zu deutscher Zeit der Stammsitz der Familie von Kameke. Kartz von Kameke, 1866 bis 1942, und sein Sohn Dobimar von Kameke waren schlechthin die Kartoffelzüchter, die ab etwa 1900 die Kar­toffelsaatzucht in Pommern begründeten. Sie züchteten viele neue Kartoffelsorten, die mehr als die Hälfte der Kartoffelanbaufläche in Deutschland erreichten. Nach dem zweiten Weltkrieg führte Do­bimar von Kameke die Kartoffelzucht in Westdeutschland, namentlich in Windeby bei Eckernförde weiter. Da sein Saatgut in den Kriegswirren im wesentlichen verloren gegangen war, musste er mit der Saatzucht erneut anfangen, wobei ihm seine Kenntnisse und  seine ebenfalls geflüchteten Mitar­beiter eine wesentliche Stütze waren. Heute führt die Solana-Gruppe seine wichtige Arbeit fort. - Nach dem zweiten Weltkrieg war das im Stil der Belle Epoque errichtete Schloss eine Führungsstel­le der sowjetischen Militärführung in Polen. - Den Abend dieses Tages verbrachten wir singend in fröhlicher Runde, begleitet von Werner Arndt mit seinem Schifferklavier.


Der vorletzte Tag war dem Besuch von Stettin gewidmet. Wir besuchten unter kompetenter Führung die Hakenterrasse mit seiner Silhouette der im Ursprungszustand restaurierten Gebäude (Regie­rungssitz, Herzogsschloss und weiterer historischer Gebäude). Es ist zwischenzeitlich viel wieder hergestellt und neu gebaut worden. Beeindruckend ist der Zentralfriedhof mit seiner Weitläufigkeit und dem erheblichen Erhaltungszustand der Grabanlagen deutscher Zeit. Leider konnten wir den für den Nachmittag geplanten Besuch des zweitältesten pommerschen Klosters in Kolbatz sowie einen Spaziergang am Madüsee wegen einsetzenden Regens nicht mehr durchführen. So endete der Auf­enthalt im Hotel Spichlerz in Stargard, wo uns der Hotelier Zdzislaw Kosikowski eine hervorragen­de Grillplatte servierte.


Am letzten Tag mussten wir die Koffer packen und um 9 Uhr die Heimreise starten, die wir alle wohlbehalten beenden konnten.


Als Ergebnis darf ich festhalten, dass die Reise für uns alle eine erfolgreiche Fahrt in unsere ferne Vergangenheit war, dass wir (wieder) viel gesehen und erlebt sowie die Geschichte des Kreises Saatzig und Pommern wieder etwas in Erinnerung gebracht haben, dass wir uns zu einer fröhlichen Gemeinschaft zusammengefunden haben, bei der sich jeder mit jedem unterhalten und verstanden hat und von der der überwiegende Teil zugesagt hat, an einer ähnlichen Reise im nächsten Jahr wie­der teilzunehmen, soweit die Gesundheit und das Alter es zulassen.


Fest in Jakobshagen

Polnisch-deutsches  Sommerfest

Nichts hat angekündigt, daß wir an diesem Juli-Samstag den Sommer nutzen werden. Bisher hatten wir alle vier Jahreszeiten auf einmal. Aber als wir unser Ziel erreichten, änderte sich alles grundlegend. Dobrzany mit seinen zweieinhalbtausend Einwohnern, einst Jakobshagen, liegt zwischen Wäldern, Seen und Feldern und ist ein Städtchen mit einer mittelalterlichen und ehrenwürdigen Geschichte.


Hier, wie auch  überall in Pommern, haben die Menschen, je nachdem, welche Armeen gerade durch das Land zogen und wer das Land regierte, mehr oder weniger erfolgreich ihr Leben gemeistert.  Was verbindet noch Schneidemühl mit diesem Ort? Die Antwort fanden wir, als wir die Hauptstraße Richtung Volkspark gingen. Das verbindende Element ist der Straßenname und die Person von Stanislaw Staszic. Von seiner Feder stammen zahlreiche Werke und Gedichte wie z.B. „Das Menschengeschlecht“, in dem die „physikalisch-moralische Ordnung des Menschen und der Menschheit“ sowie die Integration der Gesellschaften postuliert werden.   Es ist schier unmöglich, alle Verdienste dieses Pfarrers, Geologen, Forschers, Wissenschaftlers   und Philosophen der Aufklärung  aufzuzählen.

Als wir die Zelten erreichten, unter denen Tische und Bänke standen, waren die Frauen von dem Verein „Zloty Szpon“ gerade dabei, die Spuren des gerade vorbeigezogenen Gewitters zu beseitigen. Andere schnitten Kuchen, kochten die Gurken- und Gemüsesuppe, stellten Schüsseln mit Salaten auf die Tische. Die Männer arbeiteten beim Grill, legten Wurst, Fleisch und Grützwürste auf den Rost.

 Traditionell kommen hierher, zu Besuch, ehemalige Einwohner mit Familien und betrauen die energischen Mitglieder des Vereins „Zloty Szpon“ mit allen Vorbereitungen für das Treffen im Freien. Die haben sich schon mehrmals bewährt – nicht zuletzt dank der guten Leitung von Frau Teresa Knape, die sich ohne Probleme mit den Gästen verständigen kann. Sie spricht ausgezeichnet Deutsch.

Bald kamen nächste Gäste. Die Sonne lockte die Gäste unter den Zelten hervor, die sich auf im Freien stehende Bänke setzten. Mit dem besser werdenden  Wetter, leckerem Brot mit Schmalz und Salzgurken wurde die Stimmung immer besser. Es wurde laut und lustig. Bunte Trachten der Gesanggruppe konnten vielleicht etwas auffällig wirken, aber die Musik paßte sehr gut zu der herrschenden Stimmung, um nicht zu sagen, daß sie sie noch verbessert und zum Tanzen ermutigt hätte. Die Männer waren etwas zurückhaltend. Die ehemaligen Einwohner siedelten sich nach dem II.Weltkrieg meistens in Schleswig-Holstein an. Manche von ihnen sind heute dabei. Die Erinnerungen wurden wieder wach, die Nostalgie ließ sich spüren. Alte Bekanntschaften wurden erneuert, neu geschlossen. Auch zwischen den deutschen Minderheiten, die zu diesem Treffen eingeladen worden waren. Die Gäste aus Arnswalde tauschten sich mit den Kollegen aus Dramburg aus. Eine  große Gruppe aus Schneidemühl und Flatow blieb zunächst  unter sich, dann aber kam sie mit der Ortsgruppe aus Stargard ins Gespräch. Ich habe Frauen Teresa und Monika von der Deutschen Minderheit in Arnswalde nach Problemen, die für ihre Organisation wichtig sind, gefragt. Sie ähneln ja den unseren. Später kommen zu uns Gäste aus dem an Dänemark grenzenden Bundesland. Sie haben mit ihren Spenden viel zur Gestaltung des Volksparks beigetragen, an dessen Rande das Fest stattfindet. Jetzt sind sie sehr stolz darauf, genauso wie die jetzigen Einwohner von Jakobshagen. Die Gäste aus Deutschland wurden nach der Ankunft in ihrer Heimat, in Stargard, durch den dortigen Vorsitzenden der Deutschen Minderheit Herrn Erhard Grünbauer betreut. Sie haben die Stadt mit ihren historischen Baudenkmälern besichtigt. Wir haben uns „jünger und irgendwie zu Hause“ gefühlt, gestehen Edith und Klaus Frommholz. „Am Sonntag fuhren die Gäste nach Köslin, wo sie die Gartenanlagen in Dobrzyca /Kordeshagen/  besuchten. Am Montag besuchten unsere Gäste Europas  größten Friedhof in  Stettin“ erzählt Herman Welk. Er ist der Vorsitzende des Landesverbandes „Heimatkreis Schleswig-Holstein e.V.“ und ihm ist unser Treffen zu verdanken.

Andrzej Niskiewicz.




Ein toller Bericht eines polnischen Redakteurs in deutscher Übersetzung.